Angst ist eine natürliche Reaktion des Menschen auf Gefahren. Sie äußert sich im kognitiven und emotionalen Bereich (Einengung der Wahrnehmung auf gefahren- relevante Reize, Einengung des Denkens und Fühlens), im Verhalten (Flucht oder Vermeidung) und auf der körperlichen Ebene (Aktivierung von Alarmreaktionen mit Symptomen wie z.B. Herzrasen, Schwitzen, Beschleunigung des Atmens, Zittern).

Der Unterschied zwischen normaler (Real-) Angst und phobischen Angststörungen ist, dass bei den hier besprochenen phobischen, krankhaften Angststörungen die Angstreaktion nicht durch objektiv gefährliche Situationen ausgelöst wird.

 

 

 

 

Panikstörung, Agoraphobie (Herzneurose, Platzangst)

Hauptkennzeichen der Panikstörung sind plötzlich auftretende Panikanfälle oder die dauerhafte Sorge vor dem erneuten Auftreten solcher Anfälle. Panikanfälle sind Zustände intensiver Furcht mit einer Vielzahl körperlicher und psychischer Symptome und dem Gefühl drohender (Lebens-) Gefahr. Die Dauer beträgt in der Regel 30 Minuten oder kürzer. Die wichtigsten Symptome sind Herzklopfen, -stolpern oder -rasen, Benommen- heit bzw. Schwindel, Dyspnoe, Magen-Darmbeschwerden, Schwitzen, Zittern, Brust- schmerzen und Beklemmung sowie die Befürchtung zu sterben, die Kontrolle zu verlieren oder verrückt zu werden. Panikanfälle treten “spontan” bzw. unerwartet auf, d.h. sie entstehen ohne für die Patientinnen erkennbare Ursache und nicht regelmäßig in bestimmten Situationen. In der Folge schränken Patienten ihren Lebensstil ein. Wenn zumindest ein Teil der Anfälle situativ ausgelöst wird und Vermeidungsverhalten besteht, liegt eine Agoraphobie vor. Üblicherweise werden solche Situationen vermieden, in denen

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es besonders unangenehm oder subjektiv gefährlich sein könnte, einen Panikanfall zu haben.

 

Soziale Phobie (Sozialangst, krankhafte Schüchternheit, Vortragsangst)

Die Symptomatik der Sozialen Phobie oder Sozialen Angststörung zeigt sich in einer überdauernden und intensiven Furcht vor Beobachtung und negativer Bewertung durch andere Personen. In vertrauter akzeptierender Umgebung hingegen wird meist ein unbeschwertes Verhalten gezeigt. Es treten typische körperliche Angstsymptome (Zittern, Schwitzen, Herzrasen…) auf. Weiter findet sich eine Einengung des Denken und der Wahrnehmung. Patienten haben typische “falsche” Überzeugungen wie z.B.: “Ich werde bestimmt keinen Satz vernünftig zu Ende bringen”; “Ich werde zittern, und die Leute werden es sehen”; “Die Leute werden sehen, dass ich Angst habe”; “Was ich sagen werde, ist bestimmt lächerlich.” Das Vermeidungsverhalten in Bezug auf angstauslösende Situationen wirkt als negativer Verstärker und fördert die Chronifizierung der Störung. Die Soziale Angststörung kann letztendlich eine starke Beeinträchtigung der privaten und beruflichen Lebensführung verursachen.

Typische phobische Situationen sind z.B. öffentliches Reden, Essen oder Trinken, oder Schreiben in der Öffentlichkeit, Kontaktaufnahme mit Fremden, Autoritätspersonen oder Personen des anderen Geschlechts, Forderungssituationen (z.B. Umtausch einer Ware), Beobachtet werden z.B. bei der Arbeit, dem Besuch einer Feier, der Teilnahme an einer Konferenz, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel o.ä..

Es wird zwischen dem generalisierten und dem nicht generalisierten Typus differenziert. Der generalisierte Typus (> 2 Belastungssituationen) beginnt meist früher und bleibt relativ konstant bestehen, die phobischen Situationen nehmen zu, es treten häufiger Begleiterkrankungen und Behinderungen auf, und er ist in der Regel leichter zu identifizieren. Nicht-generalisierte soziale Phobien (1-2 Belastungssituationen) treten meist im späteren Lebensalter auf, können aber in eine generalisierte Form übergehen. Hier sind weniger Begleit-Störungen und Behinderungen zu finden. Dieser Untertyp ist zudem in der Regel schwerer zu identifizieren, da nur wenige Situationen wie z.B. öffentliches Reden betroffen sind.

 

Spezifische Phobie (z.B. Höhenangst, Spinnenangst …)

Spezifische Phobien sind durch eine dauerhafte, unangemessene und intensive Furcht oder Vermeidung von bestimmten Objekte oder Situationen gekennzeichnet. Die häufigsten Phobien betreffen Tiere (z.B. Spinnen, Schlangen, Hunde), Höhen, enge Räume, Flugzeuge und den Anblick von Blut, Verletzungen oder Spritzen. Diese Ängste können so stark sein, dass sie die normale Lebensführung beeinträchtigen und ausgeprägtes Leiden verursachen.

 

Generalisierte Angststörung (chronisches Grübeln, ständige Sorgen)

Mit Generalisierter Angststörung bezeichnet man dauerhafte, unrealistische oder übertriebene Ängste oder Sorgen. Die Betroffenen geben an, dass sie ihre Sorgen und

Befürchtungen nicht kontrollieren bzw. nicht abstellen können. In der Regel drehen sich die Befürchtungen um mehrere Lebensbereiche (z.B. Arbeit, Finanzen, Ehe). Ganz allgemein handelt es sich um zukünftige Katastrophen, wobei die meisten Betroffenen über Dinge grübeln, die nie wirklich eintreten. Personen mit Generalisierter Angststörung grübeln wie gesunde Personen auch über ihre Familie, Freunde und finanzielle Probleme. Im Unterschied zu gesunden Personen grübeln sie jedoch weitaus mehr über Krankheiten und kleine tägliche Schwierigkeiten wie zu spät zu kommen, etwas zu vergessen etc. Die Generalisierte Angststörung beginnt typischerweise zwischen 20 und 30 Jahren und nimmt einen chronischen Verlauf. Frauen sind etwas häufiger als Männer davon betroffen. In ca. 85% der Fälle geht die Generalisierte Angststörung mit anderen psychischen Störungen, insbesondere Angststörungen und sekundären Depressionen, einher.

 

Therapie von Angststörungen

Generell gilt für die Behandlung von Angsterkrankungen, dass kognitiv-verhaltenstherapeutische Behandlungsansätze die Methode der ersten Wahl sind. Diese Behandlungsansätze können ggf. mit einer psychopharmakologische Behandlung ergänzt werden. Grundsätzlich kann man von folgenden Stufen bei der Behandlung von Angsterkrankungen ausgehen:

  1. Selbst- und Laienhilfe (z.B. Selbsthilfebücher, Selbsthilfegruppe, Unterstützung durch Angehörige oder Freunde)

  2. Beratung, stützende Gespräche (z.B. durch Hausarzt)

  3. Gezielte Psychotherapie der Angsterkrankung (Psychologen oder Facharzt)

Es liegen für alle Angststörungen gut überprüfte Therapieansätze aus dem kognitiv- verhaltenstherapeutischen Spektrum vor. Ihre Wirksamkeit ist nachgewiesen für Einzel- sowie Gruppentherapie. Sie besteht aus Expositionen in realen angstbesetzten Situationen, dem bewussten Überprüfen der Reaktionen anderer Menschen und dem Korrigieren bisheriger Beurteilungs-Schemata. Patienten lernen, Situationen mit steigendem Schwierigkeitsgrad erfolgreich zu bewältigen und festzustellen, dass bisher befürchtete Reaktionen ausbleiben bzw. unwichtig sind.

Zusätzlich hilfreich sind oftmals Verfahren wie Hypnotherapie, Progressive Muskelrelaxation (PMR), Yoga, Achtsamkeitstraining.

In der medikamentösen Therapie von Phobien sind Antidepressiva die erste Wahl. Sie bewirken eine gute bis sehr gute Besserungen v.a. bei mittelschweren und schweren Formen. Der Therapieerfolg ist abhängig u.a. von Dosishöhe und Behandlungsdauer. Bis zu 12 Wochen kann es bis zu einem Wirkungseintritt dauern; empfohlen wird die Fort- setzung der Medikation bis >1 Jahr nach Symptombesserung (bei Behandlung ohne be- gleitende Psychotherapie). In dieser Zeit ist eine weitere Verbesserung des Ansprechens möglich. Eine Pharmakotherapie in Kombination mit Selbst-Exposition, unterstützt durch z.B. den Hausarzt, erhöht die Wirksamkeit der Behandlung und vermindert das Risiko eines Rückfalles nach Absetzen der Medikation. Durch Kombination von Pharma-ko- und Psychotherapie ist eine Verbesserung der Wirkung bei schweren Fällen und ein schnellerer Wirkungseintritt möglich. Eine Psychotherapie sollte erst nach Ansprechen der Pharmakotherapie bzw. nach >12 Wochen begonnen werden, um die Wirkung des Medikamentes beurteilen zu können. Es empfiehlt sich bei einer Kombinationsbehandlung zudem das Ausschleichen des Medikamentes während der laufenden Psychothera pie, um eine Wirkungs-Attribution des Patienten auf seinen psychotherapeutischen Lernprozess zu erleichtern.

Benzodiazepine wie Valium® , Xanax® und Temesta® zeigen bei der Behandlung von Phobien schnell sehr gute Effekte, haben aber klare Nachteile. An erster Stelle ist die Suchtentwicklung bei längerer Anwendung zu nennen; empfohlen wird eine kontinuier- liche Anwendung über max. 6 Wochen. Damit sind diese Medikamente nur für eine vor- übergehende Akutbehandlung geeignet. Benzodiazepine behindern zudem das psycho- therapeutische Lernen und gehen nach dem Absetzen mit einer sehr hohe Rückfallrate einher.